Hanging Gardens
Hubert Lobnig recherchierte im Vorfeld zur aktivistischen Besetzung von Bäumen. Die davon inspirierten großformatigen, silberig reflektierenden Malereien mit Eitempera lenken unseren Blick in die Kronen der Bäume und erzählen auf poetische Weise über mutiges Engagement und Allianzen zum Schutz der Natur.
Der Kärntner Künstler beschreibt das Malen eines Baumes als meditativen Prozess, bei dem er sich von Tag zu Tag und von Ast zu Ast vortastet. Im Garten seines Ateliers im Waldviertel schafft er sich mit Zeltplanen einen Platz, in dem er geschützt vor Regen und Hitze in situ arbeiten kann. Die Schattenwürfe der Bäume sind ihm dabei Inspiration und es entsteht malerische Spannung zwischen Gegenstand und Abstraktion, zwischen Fläche, Linie und Bewegung.
Lobnigs Malerei ist aber nicht nur durch das Naturerlebnis per se verdichtet und aufgeladen, sondern regt darüber hinaus zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit Naturschutz an: In Österreich haben Baum-Besetzungen als Mittel des Protests und als Ausdruck von zivilem Ungehorsam noch wenig Tradition. Erst vor kurzem aber entdeckten junge Aktivist:innen bei den Protesten in der Wiener Lobauautobahn diese widerständische Taktik für sich. In den USA reicht die Geschichte weiter zurück und so hat sich in den 1990er Jahren – Julia „Butterfly“ Hill, eine junge Aktivistin, zwei kleine Plattformen in 60 Metern Höhe in den Ästen eines Baumes gebaut und dort 738 Tage gelebt, um die Abholzung des gesamten Waldstücks zu verhindern. In den letzten Jahren gab es in England immer wieder Baumbesetzungen, wenn etwa in Städten Parkbäume gefällt werden sollten, damit Wohnhäuser entstehen können. Erst jüngst war der Hambacher Forst zwischen Köln und Aachen in den Medien sehr präsent: das letzte Stück Wald der Region, sollte abgeholzt werden und hunderte junge Menschen setzten sich auf die Bäume um das zu verhindert.
Improvisierte Behausungen, Plattformen, auf denen sich die Menschen aufhalten und Stege aus Seilen und Brettern, die die einzelnen Bäume miteinander verbinden, verschwimmen in Lobnigs Bildern mit den Bäumen selbst. Fragmente von Plattformen und Baumhäusern ergeben ein friedliches Ganzes, das je nach Lichteinfall anders reflektiert. Die Bilder laden ein, die Geschichte der aktivistischen Besetzung von Bäumen zu erkunden oder auch einfach nur den Blick in die Natur zu aktivieren und sich Gedanken über ihre Verdinglichung oder Wesenhaftigkeit zu machen.
Hubert Lobnig, geboren in Völkermarkt, studierte an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. In zahlreichen kontext- und ortsbezogenen Projekten und Installationen im öffentlichen Raum (oft gemeinsam mit Iris Andraschek) spannt Lobnig den Bogen von der Architektur bis zum Zusammenleben. In seinen künstlerisch-kritischen Analyse von Orten, Beziehungen und Grenzziehungen bedient er sich der Malerei, Zeichnung, Video, Fotografie und immer wieder der Kollaboration. Lobnig ist Professor für Künstlerische Praxis an der Kunstuniversität Linz und lebt und arbeitet in Wien und Mödring (NÖ). Zu seinen jüngsten Projekten zählte Empfindliches Gleichgewicht im MMKK, Museum Moderner Kunst Kärnten (2018/19), Arm & Reich“ im Dommuseum in Wien (2022).
Lazar Lyutakovs Lampenobjekte wecken die Neugierde, denn wir begegnen Vertrautem: seine Lamp Series, die er seit 2008 durchgehend erweitert, spielt mit der modernistischen Formensprache und führt uns dabei hinters Licht. Wir alle kennen Designobjekte, u. A. Lampen, die einen Raum mit Stimmung erfüllen, Komfort ausstrahlen und nicht zuletzt unseren guten Geschmack unterstreichen sollen. Bereits zur Zeit des Bauhauses, aber spätestens seit dem Design der 60er Jahre geht es um eine Verschmelzung von Alltag und Kunst, wobei die dabei entstandenen visuellen Codes immer auf den Geschmack der Mittelklasse abziehen und damit immer noch einen elitären Gedanken verfolgen.
Wie Lobnig, beginnt auch Lyutakov seine künstlerische Arbeit mit einem Analyseprozess, in dem er die Formen, Farben und Materialität des modernistischen Designs untersucht. Im anschließenden künstlerischen Schaffensprozess entstehen bildhauerische Werke, die ästhetisch ins Auge springen, schön, bunt und sogar nützlich sind. Das Material, mit dem der Künstler uns konfrontiert, ist alltäglicher Kunststoff, also „minderwertiges Material“, das er gekonnt transformiert.
Wir schwimmen in Plastik. Diese Umweltkatastrophe gibt Anlass für Lyutakovs Lamp Series. Bei genauerem Hinsehen enttarnen sich die Objekte als Schüsseln, Siebe, Behälter und Verschlüsse aus Kunststoff, als ehemaliger Abfall. Der Künstler spielt hier mit unserer Wahrnehmung, er spielt mit uns ein Spiel rund um visuelle Codes und den Wert der Dinge und wirft damit die altbewährte Frage auf: Wann ist etwas Kunst?
Lazar Lyutakov studierte an der National Art Academy in Sofia und graduierte danach an der Akademie für Bildende Künste in Wien. Er stellte international (USA, Deutschland, Dänemark, Polen, China, Vietnam, Polen und Bulgarien) und u.a. bei der Moskau Biennale (2015) und Vienna Biennale (2015) aus und vertrat 2019 Bulgarien auf der 58. Biennale von Venedig. Er lebt in Wien und arbeitet derzeit an seiner Einzelausstellung in der Wiener Sezession im Sommer 2023.