HUBERT LOBNIG
BESETZTES GEBIET

2021













Dominique Gromes: Die Bildserie, an der du gerade arbeitest, und die auch im Raum für Kunst im Lindenhof zu sehen sein wird, stellt Bäume ins Zentrum deiner Bilder. Worum geht es dir dabei?

 

Hubert Lobnig: Ich habe vor ein paar Jahren begonnen, mich mit Baum-Besetzungen zu beschäftigen. In Österreich haben Baum-Besetzungen als Mittel des Protests und als Ausdruck von zivilem Ungehorsam leider keine Tradition. Aber in den USA hat sich eine junge Aktivistin - Julia „Butterfly“ Hill -  in den 1990er Jahren zwei etwa 4 m² große Plattformen in den Ästen des Baumes gebaut und dort 738 Tage, 24 Stunden am Tag gelebt, um die Abholzung des gesamten Waldstücks zu verhindern. Das war eine sehr emotionale Geschichte, weil die Küstenmammutbäume über 500 Jahre alt waren, und einfach abgeholzt werden sollten. Ein Teil des Waldes konnte durch ihre Baum-Besetzung dann tatsächlich gerettet werden.

In den letzten Jahren gab es auch in Deutschland oder England immer wieder Baumbesetzungen, wenn etwa in Städten Parkbäume gefällt werden sollten, damit Wohnhäuser entstehen können. Oder als im Hambacher Forst, das Abbaugebiet für ein Kohlekraftwerk erweitert werden sollte, und dafür das letzte Stück Wald der Region, rund 400 Bäume, hätte sterben müssen. Da haben sich wahnsinnig viele Leute auf die Bäume raufgesetzt und das verhindert.

Bei diesen Besetzungen gibt es dann immer auch großartige Konstruktionen in den Bäumen. Improvisierte Behausungen, Plattformen, auf denen sich die Menschen aufhalten und Stege aus Seilen und Brettern, die die einzelnen Bäume miteinander verbinden. Mit diesen – oft sehr fragilen - Konstruktionen möchte ich mich unter anderem malerisch beschäftigen.


Dominique Gromes: Zugleich ist das Thema “Baum” und Wald ja auch eines ist, das sehr gut ins Waldviertel passt.


Hubert Lobnig: Genau, und das ist auch der zweite Aspekt, der mich interessiert. Wir haben in der Nähe von Horn ein Haus mit kleinem Atelier, das an ein acht Kilometer langes Waldstück grenzt. Als wir vergangenen Sommer dort verbracht haben, war das einzige Geräusch, das zu hören war, das der Motorsägen, und dazwischen die Rufe der Waldarbeiter. Da ging es natürlich um den “Käferbaum”, also darum, dem Borkenkäfer in der Fichte den Garaus zu machen. Mir hat das sehr weh getan, als tausende Bäume gefällt wurden. Zum einen, weil wir in der grünen Lunge oft spazieren gegangen sind. Und andererseits, weil der Baum für viele nicht anderes ist als ein Objekt, verdinglicht wie die Tiere, etwas Seelenloses, etwas, das kein Wesen besitzt oder kein Wesen ist.  So kann man leicht eine 200 Jahre alte Linde in einer halben Stunde fällen. Und dann wird nicht einmal ein Sessel daraus, was ja noch schön wäre, wenn der Baum ein zweites Leben als Möbelstück erhält. Aber das Holz wird gleich zu Pellets oder Brennholz verarbeitet.

Und das ganze noch dazu im Waldviertel, das ja so heißt, weil es einmal der am längsten erhaltene Urwald in Österreich war. Davon ist jetzt nicht mehr viel übrig. Also mal sehen, ob das Waldviertel nicht auch mal umbenannt werden muss ...


Aus einem Gespräch, das  Dominique Gromes 2019, zwei Jahre vor seiner Ausstellung im Raum für Kunst im Lindenhof in Raabs an der Thalia mit Hubert Lobnig führte.



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