LICHT FLUT Kärntner Landesgalerie, Klagenfurt
1993


Dunkel als Licht Das Ensemble "Wiener Luster von Hubert Lobnig basiert auf der Tonwertumkehr, der Projektion und der Desintegration des fotografischen Bildes. Der Vorgang vollzieht sich in mehreren Schritten. Ausgangspunkt ist ein gläserner Luster, also ein lichtspendendes Objekt mit der Ausstattungsikonografie des späten 19. Jahrhunderts. Er ist ein Zitat aus der bürgerlichen Geschmackskultur der Plüsch Ära; das facettierte Glas fungiert als eines jener Surrogate , die die Produktkultur der Epoche bestimmt haben: Gips statt Marmor, Plüsch statt Samt, Messing statt Gold, Glas und Straß statt Diamant. Noch im späten 20. Jahrhundert wird er schichtspezifisch von den Repräsentanten der rasanten sozialen Melioration als Statussymbol in Anspruch genommen. Lobnig postiert ihn im Ecksaal der ehemaligen Klagenfurter Stöndischen Burg heute ein Galerieraum an der vermuteten Stelle der einstigen Hängeleuchter, die durch kreisförmige Stuckmedallions gekennzeichnet ist. Ortsbezug und fiktive, ironisch auf der Zeitlinie modulierte Rekonstruktion charakterisieren diese Arbeit: an der Stelle des Lusters hängt ein postmodern aufgewerteter weißer Ventilator im Stil der fünfziger Jahre, auf dessen Flügel das negative Bild des Lusters projeziert wird, so als würde er, gegen alle Logik der Physik, mit seinen schwarzen Glühlampen Dunkelheit statt Licht verbreiten. Das schwarze Strahlen ist bei Lobnig ein Zeichen für das Nicht Licht, das durch Projektion also durch Licht de facto gar nicht mitteilbar ist. Ein zweiter Projektor wirft, ebenfalls in Tonwertumkehr, das Bild eines Lusters in Durchprojektion auf eine transparente Leinwand, die in breite vertikale Streifen geschnitten ist, Durch den Luftstrom des Ventilators bewegt, verliert das fotogrofische Bild auf der Projektionswand seine Stabilität. Damit verbunden ist auch eine Minderung der Wahrhaftigkeit der Abbildung, die in der konventionellen Ästhetik der Fotografie stets an die Ebene und die unbewegte Wiedergabe gekoppelt ist. In der durchlässigen Projektionswand manifestiert sich die Ambivalenz von Sperren und Öffnen , gleichermaßen forciert sie ehemals klassischer Bildträger die Desintegration eines Abbildes, dessen Realitätsverlust stufenweise vorbereitet wurde: in der fotografischen Doppelrealität, in der Tonwertumkehr, in der Immaterialisierung durch die Projektion und schließlich in der Desintegration durch die zerschnittene oder rotierende Projektionsfläche. Sowohl die geteilte und windbewegte Leinwand als auch die Ventilotorflügel fangen das Lichtbild auf und zerschneiden es gleichzeitig in Streifen bzw. Segmente. Lobnig erzeugt so eine instabile und fragmentarische Plastik als ironische Reminiszenz an die mimetische Funktion des Licht Bildes und (in seine vermeintliche Authentizitätsgarantie. Er hinterfragt die verschiedenen Wirklichkeitsgradedes fotografischen Bildes, weiches das Objekt stellvertritt, ohne auf einen materiellen Bildträger zurückgreifen zu können. Gerade dort, wo das fotografische Abbild Wahrhaftigkeit vermitteln könnte, setzt Lobnig Störfaktoren ein. Die Illusion wird vorrangig durch ihre gestörte Vermittlung offenkundig: durch Umkehreffekte, durch die zeitliche Dehnung der Pendelbewegung des Lusters, durch die Immaterialisierung des Bildes, das durch selektiertes, mit Fremdinformationen überlagertes Licht entsteht. Arnulf Rohsmann