Iris Andraschek und Hubert Lobnig
»Cement Gardens – Über das Leben in Häusern und Gärten«
Nicola Hirner
Kunsthalle Exnergasse - WUK Wien 17.9.2003 - 18.10.2003
Wien. Die Ausstellung von Iris Andraschek und Hubert Lobnig wirkt improvisiert und durchlässig: Die sich gangförmig in die Ausstellungshalle verzweigende Holzkonstruktion – überspannt mit transparenter Plastikfolie – evoziert Bezüge zu Gewächshäusern. Porträtfotografien von Menschen in ihren Gärten sowie Fotos von Pflanzen sind in die Planen eingeschweißt. Saatgut ist auf Holzbrettern verstreut und Informationsmaterial zu biologischem Anbau und zur Erhaltung von Sortenvielfalt liegt auf. Durch Öffnungen kommt man in die Ausstellungshalle: Einige Tomatenpflanzen stehen vor den Fenstern; Fotobücher von Iris Andraschek, die auf bunten Podesten durchgeblättert werden können, zeigen Porträts von Menschen, für die der Garten bzw. die Landwirtschaft – ob privat oder beruflich – einen Lebensinhalt bedeutet, ein Eindruck, der durch die Einbindung von Zitaten verstärkt wird. Im Eingangsbereich laufen Hubert Lobnigs Videoporträts auf Monitoren, an der Wand sieht man Lobnigs Interieuransichten in Temperamalerei; im hinteren Bereich sind filmisch animierte Ansichten von Waldviertler Einfamilienhäusern und Kurzvideos mit unkommentierten Außenaufnahmen von kanadischen Waldhütten und Privathäusern zu sehen; ein Netz aus Seilen von Michael Blank hängt von der Decke, unmittelbar dahinter befindet sich eine von Iris Andraschek mit Jugendlichen auf einer Waldlichtung inszenierte Fotoserie. Der Titel der Ausstellung nimmt Bezug auf den Roman »The Cement Garden« von Ian McEwan, der 1978 erschienen ist und 1993 von Andrew Birkin verfilmt wurde. Im Roman fungieren Haus und Garten als nach patriarchalen Normen errichtete Konstrukte zur Abschottung der Familie gegenüber der Umwelt und zur Sicherung von Autorität. Nach dem Tod der Eltern bunkern sich die Kinder im Haus ein und setzen sämtliche gesellschaftliche Tabus außer Kraft. Für Iris Andraschek und Hubert Lobnig, die sich der Tendenzen zur Errichtung hermetisch abgeschotteten Privateigentums bewusst sind, ergibt sich eine Legitimation von Privathäusern und Gärten erst auf der Basis offener Kommunikationsstrukturen und eines ökologisches Bewusstseins. Seit Mitte der neunziger Jahre nehmen sie Lebensweisen von Personen in den Blick, die den privaten Bereich sehr offen und prozesshaft gestalten. Menschen, die ihre Gärten und Felder nach ökologischen Gesichtspunkten kultivieren, für die Gartenarbeit eine kreative Handlung darstellt und die diese nicht zuletzt als eine Form der Identitätsfindung begreifen. Eine Ausklammerung der ästhetischen Kriterien ist sinnvoll, weil die KünstlerInnen primär an den sozialen Funktionen und ökonomischen Bedingungen des Wohnens interessiert sind. Irritierend ist jedoch die inhaltliche Vagheit, mit der hier unterschiedlichste Lebensformen aneinandergereiht und mittels verschiedener Medien arrangiert werden. Dies führt zu einer Verunklärung einzelner Positionen: So begegnet man dem Waldviertler Gärtner dreimal: zunächst dokumentarisch im Videointerview in seinem Haus, wo er, ein professioneller Gärtner und Sozialarbeiter, davon erzählt, wie er schwer integrierbaren Jugendlichen im Umgang mit Pflanzen soziale Fähigkeiten vermittelt und ausführlich von den Problemen der Adaptierung des alten Getreidespeichers berichtet; im Fotobuch geben Zitate Einblick in seine Privatphilosophie als Gärtner, und in einer inszenierten Fotostrecke taucht er mit Blaufußbemalung in einer Kollektion von Frauenkleidern auf. Wie exotisches Beiwerk mutet dabei die von der Künstlerin in inszenatorischer Euphorie angeregte Verkleidung an. Eine etwas simplifizierende Geste, mit der eine Anbindung an Transgender-Diskurse evoziert wird. Der Touch des Modischen haftet auch den C-Prints an: Auf einer Waldlichtung mit Teich, ausrangierten Autositzen, Holzbooten und Geländewagen posieren junge Frauen im Retromix-Outfit mit eintätowierter Warnung vor atomaren Gefahren und Dylan Thomas-Zitaten auf nackter Haut. Über den Alltag in der »alternative community« in Durham (Kanada), wo einige der Porträts im Rahmen eines Artist-in-Residence-Programms entstanden sind, wünschte man sich aussagekräftigere Informationen. Poetisch entrückte Farbfotografien vermitteln sinnliche Eindrücke und ein Naheverhältnis der Künstlerin zu den einzelnen Personen, es können aber keine Rückschlüsse auf die Besonderheiten dieser Gärten gezogen werden. So lassen diejenigen Porträts, denen kein Fotobuch oder Videoporträt gewidmet ist, viele Fragen zu den individuellen Motivationen, Arbeitsbedingungen und Grundsätzen der Porträtierten offen. Die Qualität der Videos resultiert nicht unwesentlich aus Lobnigs zurückgenommener Interviewtechnik und seiner »begleitenden« Kameraführung: So werden simplifizierende Schlussfolgerungen vermieden, und die Autorität liegt bei den Porträtierten, die von der Entwicklung und Umsetzung ihrer Bedürfnisse und den damit verbundenen Problemen – meist in Form von Führungen durch ihre Wohnungen und Häuser – erzählen. Doch diese zurückhaltende Interviewtechnik erweist sich nicht in jedem Fall als produktiv: Während beispielsweise ein Paar, das pionierhaft in Tschechien biologischen Landbau betreibt, konzis von den sozioökologischen Veränderungen seit dem Ende des Kommunismus berichtet, gleiten einige Porträts ins Genre des Skurrilen ab – viel zu verstrickt sind die Personen in ihre persönlichen Obsessionen; es hätte dort einer klaren Interviewführung bedurft, um diese theatralisch vorgetragenen Lebensentwürfe nicht in der Ecke »absolute Außenseiter-positionen« einzuzementieren. Das Negativbeispiel »biederes Einfamilienhaus als Prestigeobjekt« hätte es nicht gebraucht, weil es hier nichts gibt, was man nicht schon kennt und woran man praktisch anknüpfen möchte. Der Versuch, unterschiedliche Lebensformen ohne ideologische Rückversicherung zu präsentieren, gelingt dort, wo eine sachliche Selbstdarstellung der Porträtierten und eine informative Vermittlung ein Andocken an alternative Ansätze ermöglicht. Ein wesentliches Manko der Materialiensammlung besteht in der Konzentration auf singuläre Lebensweisen sowie den nicht nachvollziehbaren Auswahlkriterien der Porträts. Dadurch steigt die Tendenz, diese lediglich als exotische Randerscheinungen wahrzunehmen.