HUBERT LOBNIG
„Das ist wirklich hier passiert“, kaernten.ORF.at


„Das ist wirklich hier passiert“

Unter dem Titel „Das ist wirklich hier passiert“ haben Studenten der Universität Klagenfurt im Kunstraum Lakeside drei Versuche, in Kärnten alternative Zentren außerhalb politischen Einflusses zu schaffen, aufgearbeitet die - obwohl in der Mehrzahl gescheitert - Einblick in die Tragweite des gesellschaftlichen Experiments geben.

Das Recherche- und Austellungsprojekt „Das ist wirklich hier passiert/This really happened here“ hat sich drei regionalen Ereignissen angenommen: Der Hausbesetzung in der Reitschulgasse 4 im Jahr 1979, dem „BombaClab“ am Kreuzbergl in Klagenfurt 2006 und der Gründung der Longo Mai-Kooperative 1977. Bis auf die Kooperative Longo Mai scheiterten die Gründungsversuche, weil sich die Hausbesetzer nicht gegen die Politik durchsetzen konnten: Sowohl der BombaClab als auch das KommZ (Kultur und Kommunikationszentrum) in der Reitschulgasse 4 wurden mehr oder weniger gewaltfrei geräumt. In Sachen Kommz half auch das Wetter mit, weil dem Haus Fenster und Türen fehlten. Mit der Aufarbeitung dieser regional-geschichtlichen Ereignisse sollen im Kunstraum „alternativen Formen des Wirtschaftens, der kulturellen Praxis und gesellschaftlichen Zusammenlebens“ sichtbar werden, so die Ausstellungsmacher, deren Anliegen es ist, dem sogenannten „anderen Kärnten“ nach den Projekten „Raum schaffen“ und „Representing Saualm“ ein weiteres Mal zur Öffentlichkeit zu verhelfen. Und mit ihr, einer „Neuschreibung regionaler Geschichte“.

Sehnsucht nach Haus ohne politische Interventionen

Zurückgegriffen wird dafür neben Filmen und Dokus, Pressemeldungen und kulturellen Überbleibseln auch auf die subjektive Erinnerung der Zeitzeugen: Denn es gibt sie natürlich, Menschen, die davon erzählen können, wie sich alles zugetragen hat: bei der Gründung der Longo Mai, beim BombaClab oder der Besetzung des KommZ. Arnulf Ploder etwa war immer wieder im KommZ zu Gast und stellte jetzt sein selbstgedrehtes Filmmaterial für die Austellung zur Verfügung. Worum es den Hausbesetzern (neben ihrem Protest gegen den Bachmannpreis als arrivierter Kulturveranstaltung) ging? „Man wollte ein Haus begründen, das wirklich frei ist, von allen politischen Einflüssen und Interventionen. Wo einem nichts diktiert wird, wo einem nicht gesagt wird, was man zu tun hat - es war eine bunte Szene.“

Widerstand gegen autonome Zentren:

Auf die Frage, warum der Widerstand gegen autonome Zentren so groß ist, versuchten sich die Studenten an einigen Thesen. Für die Politiker könnte der Verlust von Macht ausschlaggebend sein. Außerdem seien Projekte, die nicht selbst kontrolliert werden könnten, vielen nicht geheuer. Ganz generell haben Menschen wohl Angst vor vielem, das ganz einfach anders ist...

Der Traum vom autonomen Kultur- und Kommunikationszentrum war trotz viel Solidarität aus der Bevölkerung bald ausgeträumt. Verhandlungen mit der Stadt scheiterten, nach einem Jahr wurde das besetzte Haus geräumt. Den Besetzern war gesagt worden, das Haus sei zu desolat und könne nicht gefahrlos bewohnt werden. Mit der schließlich durchgeführten Revitalisierung entstand das heutige Europahaus.

BombaClab: Nur kurzes Dasein

Auch dem BombaClab war nur ein kurzes Dasein beschieden. Die Aktivisten hatten zwar angekündigt, die Geschichte des einstigen Schießplatzes der Nationalsozialisten aufarbeiten zu wollen, schließlich zerschlug sich die Bewegung - oder vielmehr, wanderten ihre der Sprayer- und DJ-Szene angehörenden Aktivsten nach Wien aus; viele um zu studieren. Auch hier verschwand die Erinnerung an das Projekt trotz kurzzeitig reger medialer Präsenz recht bald. Studenten wie Klaus Ortner haben die Ereignisse von damals wieder ausgegraben: „Man gräbt weiter und weiter und stößt dabei auf immer mehr Details und Facetten dieser Geschichten. Es ist wie Archäologie, man gräbt die Vergangenheit aus. Und wir hatten das Glück, einen Kunstraum zu bekommen, um diese Fundstücke auch zu präsentieren.“

(K)ein Raum für das gesellschaftliche Experiment

Mit den Filmen, Fragmenten und Zeitungsartikeln wird im Lakeside eine andere, alternative Geschichte Kärntens erzählt, und gleichzeitig Raum für das gesellschaftliche Experiment einfordert - etwas, das in einer vollkommen institutionalisierten, parteipolitisch dominierten Welt eben nicht vorgesehen sei, so Projektleiter Matthias Wieser: „Wir wollten sehen, was es schon gab, woran andere gescheitert sind, was für Konfliktlinien es gab. Das ist wichtig für zukünftige andere Projekte, um den Leuten Räume zu eröffnen.“

Longo Mai: „Wölfe im Schafspelz“

Ihr Bestehen bis heute gesichert hat die Gruppe der Longo Mai, die den Stopar-Hof bei Bad Eisenkappel bewirtschaftet. Die Ideen der nach ökologischen Kriterien agierenden Selbstversorger hatten sich nämlich sehr bald als zukunftsweisend erwiesen. Bei der Gründung 1977 waren die Autonomen in den Medien noch als „Wölfe im Schafspelz“ und „Terrorschläfer“ tituliert worden. Zu „ungewöhnlich“ schien vielen auch ihre Idee eines grenzüberschreitenden Wanderweges zwischen Kärnten und Slowenien - der heute übrigens Realität ist. MK-Studentin Petra Hartinger: „Für die Longo Mai war Slowenisch genauso wichtig wie Deutsch, vor allem in diesem Grenzgebiet. Sie haben sich sehr für die Slowenen und die Schulen eingesetzt. Und bei einige Leuten ist das eben nicht so gut angekommen.“

Anders als die beiden im urbanen Raum angesiedelten Projekte, hatten die Leute der Longo Mai entscheidende Vorteile: Ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit und nicht zuletzt durch den Umstand, kein Haus besetzt, sondern eben gekauft zu haben, was ihrer Autonomie bis in die Gegenwart verholfen hat.

 

Sendungshinweis:

Servus, Srecno, Ciao; 29. März 2012

 

Ausstellung läuft noch bis 6. Juli

Was die Ausstellungsmacher hoffen ist, dass die kollektive Erinnerungsmaschine in Gang kommt und „weitergeschrieben“ wird. Gelegenheit dazu hat man in der Ausstellung „Das ist wirklich hier passiert“, die noch bis 6.Juli besucht werden kann.

 


«BACK



II3II_