HUBERT LOBNIG
Im Freien, Welt der Frau 3/09


Zwischen Gefängnis und Weinbergen liegt in leichter Hanglage die Donau-Universität Krems. Sie besteht aus den Gebäuden der alten Tabakfabrik und einer erst vor wenigen Jahren errichteten Architektur aus Beton, Glas und Stahl. Einladend, offen, nüchtern, transparent, sehr gepflegt. Wer auch nur kurze Zeit verweilt, bekommt etwas mit von der Atmosphäre des Orts. Studierende aus Ost und West, Ruhe, Sammlung, auch eine freundliche Gelassenheit. Zwischen älterer und neuer Architektur befindet sich das Forum. Ein breiter Weg führt von der Einfahrt auf das Universitätsgelände zu ihm hin. Abgeschlossen wird es an der Schmalseite vom malerischen Kesselhaus mit seinem mächtigen Schlot. Ein offener Bereich, Beton und Rasenflächen, ein Marktplatz ohne Buden, ein Ort zufälliger Begegnungen und des Verweilens, Treffpunkt, ein Platz, der schnell überquert wird, der aber ebenso zum Stehenbleiben, Sitzen und Reden einlädt.
 
Für diesen Ort haben Iris Andraschek und Hubert Lobnig eine zauberhafte Gestaltung ersonnen. 21 Teppiche aus Mosaiksteinen wurden in den Beton und die Rasenflächen eingefügt. Es sind Teppiche aus Georgien und Kirgistan, aus Kurdistan und Tibet, persische Kelims, marokkanische Berberteppiche und afghanische Bildteppiche mit Motiven aus dem Krieg der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Bei der Auswahl der Vorbilder haben sich Andraschek und Lobnig von erfahrenen Sammlern beraten lassen. Gewählt wurden Stammesteppiche. Keine Repräsentationsstücke, sondern Teppiche, die im täglichen Leben der Menschen eine große Rolle spielen. Oder jene afghanischen Teppiche, in denen Frauen die Erfahrung des Kriegs bildhaft gestaltet haben. Auf eine ganz unaufdringliche Weise hält mit den Teppichen die Vielsprachigkeit verschiedenster Völker auf dem Campus der Donau-Universität bildhaft Einzug. Aus dem Innenraum des Privaten sind diese anderen Welten in den öffentlichen Raum getreten. Sie weisen auf eine Wanderbewegung hin, eine Verwandlung, die weltweit stattfindet. Geschlossene, abgeschlossene Kulturen werden im Zusammenhang einer weltweiten Vernetzung aus ihrer Isolation gelöst und in weitreichende Bezüge gestellt. Die Gefahr ihrer Zerstörung besteht genauso wie die Möglichkeit ihrer Bewahrung als integrierender Bestandteil eines größeren Ganzen. Die Teppiche bereichern mit ihrer bunten Vielfalt den Campus. Sie als Dekoration allein zu sehen, wäre aber zu wenig. Sie fordern auch den Blick, der sie in ihrer Besonderheit und Einzigartigkeit wahrnimmt. Ein denkendes Sehen, das sich dem Anderen fremder Welten und Kulturen öffnet. Es ist ja anzunehmen, dass eben das in den Studien der Donau-Universität eingeübt wird.

Gustav Schörghofer
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